Mein Kind, die Kamera und kein Eis – Ein Tag als Komparse beim Film
Vor vielen Jahren, damals hatten wir nur ein Kind und vergleichsweise viel Zeit (hier bitte in nostalgisches Träumen verfallen), überrumpelte uns eine Freundin mit den Worten: „Ich hab‘ euer Kind mal als Komparse beim Film angemeldet, die suchen da immer mal Kinder“. “Äh … Ja … Okay… Danke?“
Bis auf einen kleinen Dreh auf einem Spielplatz für irgendeine Soap ist dann allerdings nie wieder etwas geschehen. Das war, wie gesagt, vor vielen Jahren…
Vor ein paar Monaten dann, eigentlich hatten wir das Kind schon längst abgemeldet, kam plötzlich eine SMS von der Agentur: „Darf ich euer Kind für den Kinofilm ‚Tigermilch‘ als Komparse in der Rolle eines Schulkindes vorschlagen?“. Dazu ein Datum und „Gage 60€“.
Und das Kind wird zum Star?
Doch machen wir hier mal einen Zwischenstopp, bevor falsche Anschuldigungen aufkommen. Unser Ziel war und ist es nicht, die Kinder zu hochbezahlten und gefragten Stars zu machen – nichts liegt uns ferner. Als Komparse auch eher unwahrscheinlich. Wir möchten ihnen aber die Gelegenheit geben, sich auszuprobieren und die Welt aus unterschiedlichsten Perspektiven zu erleben. Die Kinder sollen dabei Spaß haben und Neues für sich entdecken – oder ausschließen. Da ist es doch eine spannende Sache, wenn man mal als Komparse bei einem Filmdreh ein wenig hinter die Kulissen schauen kann. Wir Eltern haben uns also einmal tief in die Augen geschaut, beraten und letztendlich das Kind gefragt. Und ja, die Lust war da.
Reicht das schon? Definitiv Nein!
Postwendend kam die Antwort der Agentur, dass sie noch ganz schnell ein aktuelles Foto benötigen. Ach und für die Drehgenehmigung einen Stempel vom Arzt. Und vom Jugendamt. Und natürlich der Schule. Bis spätestens Dienstag! Das war am Freitag. Freitagnachmittag. Na toll.
Am Montag also Rücksprache mit der Lehrerin gehalten, den Schulstempel besorgt und zum Jugendamt gehetzt. Dann beim Kinderarzt angerufen und um einen Termin gebeten. Für den aktuellen Tag. „Ja, genau, für heute. … ja, ich weiß, dass das sehr kurzfristig ist. …. Tut mir leid, aber wir sollen … ja …. Wartezeit mitbringen … okay. …. 17€ kostet das? Na gut…“
Letztendlich hatten wir rechtzeitig alle Stempel und sind am Drehtag wie gefordert zu 15 Uhr am Drehort erschienen. Dachten wir jedenfalls. Die Trailer und Versorgungsfahrzeuge standen jedenfalls wie erwartet dort und wir durften in einen mit Bänken und Tischen ausgestatteten und klimatisierten Trailer (draußen herrschten ca. 32°C). Dort hieß es dann „bitte ausfüllen“ und eines der mitgebrachten Outfits auswählen. Drei verschiedene Outfits, die zu einer Einschulung passen, sollten wir für den Filmdreh mitbringen. „Schwarz geht nicht, sieht nach Trauer aus. Weiß geht auch nicht, sieht nach Hochzeit aus.“ Das rote Oberteil wurde dann ebenfalls aussortiert. „Das geht beim Film nicht.“ Aha… muss ich mal drauf achten.
Und nun wird gedreht? Leider noch nicht.
Als das Kind dann umgezogen war, hieß es, dass wir noch warten müssten, man hat die vorherigen Dreharbeiten noch nicht abgeschlossen. Aber wenn, dann geht es gleich zum Drehort. Wie? Ich dachte… „Nein, nein, das ist woanders.“ Ja, natürlich. Wie dumm von mir! Na gut, also warten.
Das Kind macht also noch 15 Minuten Hausaufgaben. Und dann? Warten. Reden. Mal rausgehen. Wieder reingehen, weil es draußen heiß ist. Warten. Gesprächen lauschen („Das ist mein vierzigster Dreh“, Zitat eines Kindes). Rumdallern. Hunger kriegen. Etwas Süßes wollen. Nichts Süßes abbekommen, weil jemand vom Filmteam nicht richtig gezählt hat. Ein Eis wollen. Kein Eis bekommen, weil schon wieder zu wenig besorgt wurde. Belegte Brötchen essen (nur Papa, das Kind will Süßes). Immer wieder nachfragen, wie lange es noch dauert. Dauert noch. „Wenn ihr wollt, holt euch noch ein Eis.“ Also geht Papa einkaufen. Kaum hat das Kind das Eis in der Hand, ist der laufende Dreh plötzlich beendet und es geht los. Toll! Grrr!
Zu diesem Zeitpunkt war es bereits 18 Uhr. Wir haben also drei Stunden gewartet. Nun ging es mit der U-Bahn zum eigentlichen Drehort, zwei Stationen weiter. Und dort war… nichts. Nur eine Straße und ein paar Gebäude. Kein Filmteam, nichts abgesperrt, keine Trailer. Und die Sonne bereits am Untergehen. So langsam sah ich schwarz.
Endlich geht es los!
Das Filmteam hat tatsächlich nicht allzu lange gebraucht und stand nun mit nur einer Kamera und ein paar Verkehrshütchen vor Ort. Jetzt wurden die Komparsen eingewiesen. Sie sollten über die Straße gehen. Mit Ranzen und Schultüte (ersteren hatten wir dabei, zweitere wurde gestellt). Mal in Zweierreihen, mal hintereinander. Dabei nicht zur Kamera schauen. Mal mit „Eltern“, mal ohne. Mal eng beisammen, mal mit Abstand. Und mehr lachen. Und reden. Und nicht in die Kamera schauen! Und bitte nochmal!
Die Straße wurde dabei nicht groß gesperrt, man wartete einfach kurz, bis kein Auto kam und dann ging es los. Die Kamera wurde immer mal anders positioniert und dann hieß es wieder über die Straße gehen. Haupt- oder Nebendarsteller gab es in dieser – nennen wir es mal Szene – nicht.
Kurz vor 20 Uhr wurde der doch recht unspektakuläre Dreh beendet. Anschließend hieß es: Unterschrift abholen, zurück zum Auto fahren, zwischendurch irgendeine Form von Abendessen besorgen und dann schnellstens nach Hause. Der kleine Komparse auf der Rückbank war müde und ein weiterer Schultag stand bevor.
Hat sich der Aufwand gelohnt?
Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Abgesehen davon, dass die Anfrage, aus welchen Gründen auch immer, sehr kurzfristig war, haben wir leider viel warten müssen. Das ist für Komparsen sicher recht normal, war jedoch unter den Umständen für die Kinder (und auch Erwachsene) anstrengend. Und die erhoffte spannende neue Episode im Leben des Kindes hat sich als weit weniger spektakulär herausgestellt, als erhofft. Man kann von einer kleinen Enttäuschung sprechen. Aber das lag vermutlich auch an der Erwartung des Kindes, welches beim Filmtitel schon das ein oder andere Raubtier vor Ort erwartet hatte.
Übrigens, die nächste Anfrage als Komparse kam nur zwei Wochen später, ausgewählt wurde das Kind diesmal aber nicht. Und bei der dritten Anfrage war die Lust dann gänzlich verflogen. Soviel also zum hochbezahlten und berühmten Kinderstar…
Was für ungewöhnliche Dinge habt ihr mit euren Kindern in der Freizeit erlebt? Oder habt ihr noch unbeantwortete Fragen zum Thema? Lasst es mich wissen.